2007/07/31

Die Stadt gehört wirklich mir?

Diese Beschwerde habe ich heute dem Kundendienst der Wiener Linien geschickt.

Sehr geehrte Damen und Herren Mitarbeiter des Kundendienstes der Wiener Linien!

Grund für diese Beschwerde ist der Umstand, dass ich heute, am Weg in die Arbeit mit der Linie U6 von der Längenfeldgasse nach Michelbeuern, drei mal angebettelt wurde. Eigentlich müste ich ja vier mal sagen, denn der Ziehharmonikaspieler samt Kleinkind hat mich auch schon davor in der U4 angebettelt. Und tatsächlich müsste ich fünf mal sagen, da auf Höhe Alser Strasse sich zwei Bettler vor mir begegneten (dieser Boom erschwert anscheinend Rayonabsprachen), die dann den U-Bahn Wagon untereinander aufteilten. Es handelte sich hierbei um den älteren, bärtigen Mann mit Krücke sowie den Blonden etwas jüngeren, der auf der Strasse wohnt - ohne Geld und ohne Papiere. Beide sehe ich häufiger als meinen Chef.

An dieser Stelle möchte ich mich dann auch für die erhöhten Fahrkartenpreise bedanken, da ich davon ausgehe, dass sie die Mehreinnahmen unter anderem zur Bekämpfung dieses Tätigkeitsumfeldes aufwenden.

Ich hatte eigentlich vor, solange ich in Wien wohne und arbeite, mit den Öffentlichen in die Arbeit zu fahren. An Tagen, wie heute, neige ich dazu, diese Entscheidung zu revidieren.

MfG,

...

2007/07/30

Vom Bleistift mit Radiergummi zu Bulgarien. Von Bulgarien zum Rehschnitzel mit Preiselbeersauce.

Also, diese Bleistifte mit Radiergummi oben. Die sind schon eine tolle Sache. Wer ist eigentlich auf diese Idee gekommen? Ich weiß nicht wer, aber der kriegt sicherlich jede. Beim ersten Nachdenken müsste man ja zum Schluss kommen, dass sowas nur einem Deutschen einfallen kann, damit er noch effizienter arbeiten kann und noch schneller zum Feierabend-Fohrenburger kommt. Trugschluss. Jeder, der einmal mit diesem Radiergummi tatsächlich radieren wollte, weiß, das geht nicht. Das Ergebnis ist mehr Dreck als vorher, aber auch nicht soviel Dreck, um das Geschriebene unlesbar zu machen, also wirklich nutzlos. Beim ersten Nachdenken.

Der eigentliche Sinn des Radiergummis liegt nämlich woanders. Wir werden vom AKH mit diesen Dingern beliefert. Und bereits am ersten Tag, wo wir dann statt den vorherigen Roten diese Gelben mit dem Freudenknubbel oben bekommen haben, wars mit mir geschehen. Es begann damit, das ich auch eine überflüssige Heftklammer am Schreibtisch liegen hatte. Das kommt häufiger vor, es kennen wohl einige das, was passiert, wenn man Zetteln zusammen heften möchte, dies aber mit sovielen macht, dass die arme Klammermaschine einfach überfordert ist. Nach minutenlangem Einsatz sämtlicher Fingernägel hat man diese nunmehr verkrüppelte Heftklammer draußen und bohrt sie in den Radiergummi, der ja eh nicht radiert, hinein, um dem urmännlichen Trieb zu folgen ein Loch zu bohren. Mit einem ists aber nicht genug, mehere Folgen die schließlich zu einem großen Loch verschmelzen und irgendwann ist der Bleinachbar abgetragen. Ich muss mir unbedingt ein paar neue bestellen.

Zurück zur Frage, wer diesen Bleistift erfunden hat, der dem Schreibzeug Gottes nicht unähnlich sein kann. Nach dem Bulgarienurlaub bin ich der Meinung: das kann nur ein Bulgare gewesen sein! Dazu muss man wissen, dass die Bulgaren den Kommunismus teilweise dadurch überwinden, eine Überfülle von Auswahlmöglichkeiten zu schaffen, also z.B. einen Radiergummistift. Da der Kommunismus aber noch nicht lange genug her ist, funktioniert keine dieser Auswahlmöglichkeiten richtig. So funktioniert der Radiergummi nicht, und der Stift wird ungenützt weggehauen, wenn dort wo der Freudenknubbel war nur noch ein gähnendes Loch ist.

Dieses Verhaltensmuster haben wir vor allem auf den Speisekarten festgestellt. Es gibt kein Resturant in ganz Bulgarien, wo man weniger als einhundert Hauptspeisen zur Auswahl hat. Und der Küchenchef, den man gottlob nicht zu Gesicht kriegt, schon gar nicht bem Arbeiten, wird die ja wohl nicht alle frisch zubereiten. Da schätz ich doch Restaurants wie die Thayabrücke in Hardegg. Nur zwanzig Meter von der tschechischen Grenze entfernt (in Tschechien ist die Speisekartenpolitik nicht viel anders) findet man dort vielleicht zehn Hauptspeisen. Alle rund um Fleisch aufgebaut. Schnitzel, Cordon Bleu, oder vom Reh. Und alles wird mit Preiselbeersauce serviert. Also, wenn Gott, nachdem er neue Gattungen mit seinem bulgarischen Entertainment-Center Bleistift intelligent designt hat, Essen geht, isst er sicherlich ein Rehschnitzel mit Preiselbeersauce. Man glaubt ja zuerst, das würde nicht zusammen passen. Irrtum. Wie Hobbyköche wissen, liegt das Geheimnis eines guten Essens im kompletten Geschmackserlebnis. Während Fleisch, und ein Rehschnitzel macht da keine Ausnahme, in der Geschmack-vs-Zeit Kurve flach beginnt aber lange wirkt, ist die Preiselbeersauce am Anfang sehr präsent und lässt dann schnell nach damit das Fleisch die Bühne für sich hat. Große Küche.

2007/07/28

Ein Tribut an C. Northcote Parkinson

Zu allererst: Nein, das ist nicht der mit der Krankheit. C(yril). Northcote Parkinson wurde 1909 in Großbritannien geboren. Hochinteressiert in die Geschichte der britischen Marine zögerte er nicht lange eine militärische Laufbahn einzuschlagen, während er Geschichte studierte. Er legte eine respektierliche akademische Laufbahn hin, während der er Entdeckungen machte, die nicht so recht in das Tätigkeitsfeld eines Historikers passen wollten. Mit sich ringend, wie diese bahnbrechenden Ergebnisse wohl am besten zu publizieren seien, wählte er die Form des humoristischen Essays, von denen der erste 1955 im Economist erschien. Zuerst anonym, wurde später sein Name darunter gesetzt und Parkinson's Law ward geboren. Soviel mal an unnützer, nichtssagender Allgemeinbildung.

Diesen Tribut rechtfertigen zwei Umstände seines Wirkens, welche beide wenig verstanden bzw. für ernst genommen werden, bei näherer Untersuchung sich jedoch bald als gültiger und schlichtweg weiser herausstellen, als all die anderen vergleichbaren Unterfangen, die in den 50 Jahren seither unternommen wurden.

Heutzutage wird ja das Betreten der Buchhandlung in erster Linie dadurch erschwert, dass man einen fünf Minuten langen Geschicklichkeitslauf absolvieren muss. Durch sich anscheinend von selbst auftürmende Bücher in immer knalliger werdenden Umschlägen mit der ultimativen Managementlehre, den 48 Wegweisern zu beruflichem Erfolg und die Anleitung sich selbst auch ohne Spiegel zu erkennen, damit man dann weiß zu welchen der zwischen drei und achtundzwanzig variierenden Persönlichkeitstypen, welche in den Büchern der beiden vorhergenannten Gattungen erwähnt werden, man sich rechnen muss. Das enorme Ausmaß an sinnlos abgeschlachteten Bäumen, welches diese sich selbst erhaltenden Büchersysteme repräsentieren, kann man sich anhand folgender Überlegung begreiflich machen. Angenommen es gäbe einen Menschen, der das Rezept zum Erfolg und zu einem glücklicheren und produktiveren Berufsleben entdeckt hat, wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass eines dieser Bücher auch tatsächlich von einem wie ihm geschrieben ist? Antwort: Gleich Null.
Wenn man den heiligen Gral des effektiven Managements gefunden hat, ist man stinkreich, von zig Firmen gejagt und mit 35 im Vorruhestand, aber man schreibt sicher kein Buch darüber! Im Gegenteil, man kann davon ausgehen, dass all diese Bücher von Leuten geschrieben wurden, die eben auf diesem Gebiet versagt haben, sich deswegen ständig darüber Gedanken machen müssen. Diese Gedanken türmen sich schließlich bis zum Volumen eines Buches auf, um sich über ebenso erfolglose Menschen zu ergießen, womit auf kurz oder lang sicher gestellt ist, dass sich diese Dummheiten weiterzüchten bis man auch vom Friseur etwas über das Synergiepotenzial zwischen Mani- und Pediküre hören darf.

Natürlich gibt es auch noch andere Lektüre auf diesem Gebiet, z.B. die von Wirtschaftswissenschaftern und Soziologen. Ihr Anspruch ist jedoch auch gleichzeitig ihr Untergang. Von den zweitausend tatsächlichen Lesern, die sie für ihr Buch finden, sind eintausendachthuntert nämlich Diplomanden, die nach dem Lesen des ersten Absatzes jeglichen Kapitels das Buch weglegen, eine Literaturangabe in der Diplomarbeit hinzufügen und in der Wikipedia weiterlesen.

C. Northcote Parkinson lieferte nicht nur wesentliche Beiträge auf dem Gebiet der Administrativologie, sondern er ahnte auch diese Entwicklungen voraus. Eine seiner beiden hier gewürdigten Leistungen besteht nämlich darin, für die Veröffentlichung seiner Ergebnisse die Form des humoristischen Essays zu wählen. Die Überlegenheit dieser Wahl liegt in der Tiefe seiner präsentierten Ergebnisse, wodurch man sowohl durch Gestalt als auch durch Gehalt seines Werks erfreut werden kann.

Die zweite Leistung ist natürlich seine Entdeckung, die sich kurz so zusammenfassen lässt: Arbeit (insbesonders Papierarbeit) nimmt immer die Zeit in Anspruch, die man für ihre Erfüllung zu Verfügung hat. Dies hat zur Folge, dass die Leistungsfähigkeit eines Beamten oder eines Magistrats nicht dadurch bestimmt werden kann, wieviel Arbeit sie zu verrichten hat. So wird die Größe eines administrativen Körpers durch zwei Gesetze bestimmt: Ein Beamter möchte die Anzahl seiner Untergebenen maximieren, nicht die seiner Rivalen. Außerdem macht jeder Angestellte Arbeit für die anderen Angestellten. Diese Gesetze führen zu einem Anwachsen des Apparats um durchschnittlich sechs Prozent im Jahr, wie Parkinson zeigt und wie sich mit Daten der Marine belegen lässt.
Weitere Arbeiten von Parkinson erklären u.a. wieso ein Kabinett in der Geschichte immer handlungsunfähig und bedeutungslos wurde, sobald es mehr als einundzwanzig Mitglieder zählte, oder wieso bei einer Sitzung immer am längsten über die Dinge gestritten wird, die am trivialsten sind (weil sich hier jeder Teilnehmer auskennt und seine Wichtigkeit zeigen möchte, im Gegensatz zu komplizierten Themen, wo fast keiner die Wörter in der Überschrift des Papieres kennt). Der interessierte Leser wird schnell die Adäquatheit dieser Erkenntnisse einsehen.

Wen all dies nicht beeindruckt, sei noch dies mit auf den Weg gegeben: Nach dem Tod seiner zweiten Frau heiratete Parkinson im Alter von 75 Jahren noch einmal, und lebte mit seiner Frau fortan auf der Isle of Man. Er kommt zwar deswegen noch nicht an den guten, alten Goethe heran, vorbildhaft ist es dennoch.

2007/07/24

Bureaucrazy oder doch Dilbert?

Nachdem ich nun eine Woche an einem Modell für Bürokratie arbeite, wird es mal Zeit, ein kleines Fazit zu ziehen. Ich persönlich gebe dem ganzen den Arbeitstiteil "Dilbert", mein Chef favorisiert "bureaucrazy". Ich bleib hier trotzdem mal bei Dilbert.
Meine Dilberts grasen eine zweidimensionale Arbeitsfläche ab, ohne sich untereinander zu koordinieren. Mit der Zeit werden sich ihre Produktionen überschneiden und die durchschnittliche Arbeitsleistung pro Dilbert sinkt. Also werden Manager eingestellt, die Regeln aufstellen wo diese Überschneidungen passieren und sich die Wege somit nicht mehr kreuzen. Das steigert die Effizienz der Dilberts - bis zu einem gewissen Grad. Ab dann macht die Verwaltung (sprich Regeln sprich Bürokratie) die Dilberts ineffektiver als sie ohne Verwaltung wären. Tja, genauso sollt das sein!

Auch wenn ich noch einige Arbeitstage brauche, um alle Feinheiten im Modell hinzukriegen, bin ich am Überlegen wie die Physik von dem ausschauen soll. Zuerst hätte ichs mit der Entropie versucht, aber anscheinend schaut dieses Modell mehr einem zellulären Automat ähnlich (checkst du auf Wikipedia). Also hab ich mir diese Dinger mal genauer angeschaut. Schon oarg. Die Idee ist echt schön dahinter, einfache Regeln, komplexe emergierende Verhaltensweise, alles bei hundertprozentiger Berechenbarkeit. Dann habe ich weiter gelesen. Aha. Dann ist also das gesamte Universum ein zellulärer Automat. Jaja, jegliches Leben sowie die ganze Physik. Woran liegt das eigentlich, dass jede naturwissenschaftliche Subdisziplin das gesamte Universum erklären kann/will? Exkursion.

Frage: Herr X, ihre Leistungen auf dem Teilgebiet der Woswasinetik sind herausstechend. Ohne Übertreibung kann man sie als einen der bedeutendsten Köpfe in dieser Disziplin nennen. Wie beschreiben sie ihr Verhältnis zur Woswasinetik?

Herr X: Die Grundgedanken kamen mir bereits als kleiner Junge unter dem Himbeerstrauch sitzend. Als diese mir nicht auf den Kopf fielen, sondern von einem Vogel weggepickt wurden, dachte ich "woswasi". Nach Jahren des Studierens war es mir möglich, dieses "woswasi" in der Wurschtik auf fruchtbaren Boden zu bringen und somit die Woswasinetik mitzubegründen. Nach anfänglichem Ruhm schloss ich mich sieben Jahre zuhause ein, um mein Opus magnus zu beginnen. Im Zuge kontemplativen Philosophierens wurde mir schließlich klar, das man auf jede Frage mit "woswasi" antworten kann - ja letztlich auch den Ursprung des Universums passend umschreibt.

Frage: Faszinierend. Im Gegensatz zum Wiener Kreis, wo die "Woswasinetik" nicht zum Paradigma wurde, sondern alle vorhergehenden Paradigmen überflüssig machte, erfreut sich die diametral entgegengesetzte Lehre des "Whateviorismus" mehr und mehr Beliebtheit im neuanglikanischen Raum und besitzt angeblich die gleiche Beweiskraft. Wie lässt sich dies mit ihrer Lehre abgleichen?

Herr X: woswasi.

Exkurs Ende.

Nach anderthalb Jahren, in denen das Durchschauen der neuen Physik Preprints zur Tagesroutine gehört, habe ich schön langsam gelernt, dass das von mir extraordinär geschätzte Auflösen philosophischer Debatten der alten Griechen mittels noch nicht vollständig verstandener neuer physikalischer Erkenntnisse, kein Volkssport unter Studenten ist, sondern sich anscheinend durchs gesamte Arbeitsleben ziehen wird. Wie schön. Gott sei Dank haben wir nun endlich Laser mit entsprechender Kohärenzlänge und Bandbreite, damit erstmals möglich ist Rationalismus vs. Empirismus zu entscheiden. Doch dazu ein andermal.

Jetzt beginnt gleich Wrestling auf DSF.

2007/07/20

Hello world!

Holla back!