2007/07/28

Ein Tribut an C. Northcote Parkinson

Zu allererst: Nein, das ist nicht der mit der Krankheit. C(yril). Northcote Parkinson wurde 1909 in Großbritannien geboren. Hochinteressiert in die Geschichte der britischen Marine zögerte er nicht lange eine militärische Laufbahn einzuschlagen, während er Geschichte studierte. Er legte eine respektierliche akademische Laufbahn hin, während der er Entdeckungen machte, die nicht so recht in das Tätigkeitsfeld eines Historikers passen wollten. Mit sich ringend, wie diese bahnbrechenden Ergebnisse wohl am besten zu publizieren seien, wählte er die Form des humoristischen Essays, von denen der erste 1955 im Economist erschien. Zuerst anonym, wurde später sein Name darunter gesetzt und Parkinson's Law ward geboren. Soviel mal an unnützer, nichtssagender Allgemeinbildung.

Diesen Tribut rechtfertigen zwei Umstände seines Wirkens, welche beide wenig verstanden bzw. für ernst genommen werden, bei näherer Untersuchung sich jedoch bald als gültiger und schlichtweg weiser herausstellen, als all die anderen vergleichbaren Unterfangen, die in den 50 Jahren seither unternommen wurden.

Heutzutage wird ja das Betreten der Buchhandlung in erster Linie dadurch erschwert, dass man einen fünf Minuten langen Geschicklichkeitslauf absolvieren muss. Durch sich anscheinend von selbst auftürmende Bücher in immer knalliger werdenden Umschlägen mit der ultimativen Managementlehre, den 48 Wegweisern zu beruflichem Erfolg und die Anleitung sich selbst auch ohne Spiegel zu erkennen, damit man dann weiß zu welchen der zwischen drei und achtundzwanzig variierenden Persönlichkeitstypen, welche in den Büchern der beiden vorhergenannten Gattungen erwähnt werden, man sich rechnen muss. Das enorme Ausmaß an sinnlos abgeschlachteten Bäumen, welches diese sich selbst erhaltenden Büchersysteme repräsentieren, kann man sich anhand folgender Überlegung begreiflich machen. Angenommen es gäbe einen Menschen, der das Rezept zum Erfolg und zu einem glücklicheren und produktiveren Berufsleben entdeckt hat, wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass eines dieser Bücher auch tatsächlich von einem wie ihm geschrieben ist? Antwort: Gleich Null.
Wenn man den heiligen Gral des effektiven Managements gefunden hat, ist man stinkreich, von zig Firmen gejagt und mit 35 im Vorruhestand, aber man schreibt sicher kein Buch darüber! Im Gegenteil, man kann davon ausgehen, dass all diese Bücher von Leuten geschrieben wurden, die eben auf diesem Gebiet versagt haben, sich deswegen ständig darüber Gedanken machen müssen. Diese Gedanken türmen sich schließlich bis zum Volumen eines Buches auf, um sich über ebenso erfolglose Menschen zu ergießen, womit auf kurz oder lang sicher gestellt ist, dass sich diese Dummheiten weiterzüchten bis man auch vom Friseur etwas über das Synergiepotenzial zwischen Mani- und Pediküre hören darf.

Natürlich gibt es auch noch andere Lektüre auf diesem Gebiet, z.B. die von Wirtschaftswissenschaftern und Soziologen. Ihr Anspruch ist jedoch auch gleichzeitig ihr Untergang. Von den zweitausend tatsächlichen Lesern, die sie für ihr Buch finden, sind eintausendachthuntert nämlich Diplomanden, die nach dem Lesen des ersten Absatzes jeglichen Kapitels das Buch weglegen, eine Literaturangabe in der Diplomarbeit hinzufügen und in der Wikipedia weiterlesen.

C. Northcote Parkinson lieferte nicht nur wesentliche Beiträge auf dem Gebiet der Administrativologie, sondern er ahnte auch diese Entwicklungen voraus. Eine seiner beiden hier gewürdigten Leistungen besteht nämlich darin, für die Veröffentlichung seiner Ergebnisse die Form des humoristischen Essays zu wählen. Die Überlegenheit dieser Wahl liegt in der Tiefe seiner präsentierten Ergebnisse, wodurch man sowohl durch Gestalt als auch durch Gehalt seines Werks erfreut werden kann.

Die zweite Leistung ist natürlich seine Entdeckung, die sich kurz so zusammenfassen lässt: Arbeit (insbesonders Papierarbeit) nimmt immer die Zeit in Anspruch, die man für ihre Erfüllung zu Verfügung hat. Dies hat zur Folge, dass die Leistungsfähigkeit eines Beamten oder eines Magistrats nicht dadurch bestimmt werden kann, wieviel Arbeit sie zu verrichten hat. So wird die Größe eines administrativen Körpers durch zwei Gesetze bestimmt: Ein Beamter möchte die Anzahl seiner Untergebenen maximieren, nicht die seiner Rivalen. Außerdem macht jeder Angestellte Arbeit für die anderen Angestellten. Diese Gesetze führen zu einem Anwachsen des Apparats um durchschnittlich sechs Prozent im Jahr, wie Parkinson zeigt und wie sich mit Daten der Marine belegen lässt.
Weitere Arbeiten von Parkinson erklären u.a. wieso ein Kabinett in der Geschichte immer handlungsunfähig und bedeutungslos wurde, sobald es mehr als einundzwanzig Mitglieder zählte, oder wieso bei einer Sitzung immer am längsten über die Dinge gestritten wird, die am trivialsten sind (weil sich hier jeder Teilnehmer auskennt und seine Wichtigkeit zeigen möchte, im Gegensatz zu komplizierten Themen, wo fast keiner die Wörter in der Überschrift des Papieres kennt). Der interessierte Leser wird schnell die Adäquatheit dieser Erkenntnisse einsehen.

Wen all dies nicht beeindruckt, sei noch dies mit auf den Weg gegeben: Nach dem Tod seiner zweiten Frau heiratete Parkinson im Alter von 75 Jahren noch einmal, und lebte mit seiner Frau fortan auf der Isle of Man. Er kommt zwar deswegen noch nicht an den guten, alten Goethe heran, vorbildhaft ist es dennoch.

Keine Kommentare: